Friedhelm OlderdissenRassebericht zur Hermelinzucht von Friedhelm Olderdissen.

Nachdem ich nun über 50 Jahren Hermelin Rotaugen züchte, möchte ich dazu einige Gedanken und Erfahrungen weitergeben. Vieles in meinem Bericht wird sicherlich auch für andere Rassen zutreffen und dürfte somit auch für Züchter anderer Rassen interessant sein. Meine Zucht begann ich mit einer Durchschnittshäsin, die zwar nur mit ca. 94 Punkten bewertet wurde, aber aus einem sehr guten Zuchtstamm kam. Sie warf immer so 3-4 Jungtiere, aber auch immer ein paar Langohren dabei. Nur Langohren waren damals Tiere mit über 6 cm langen Ohren, die heute ja recht selten geworden sind.

In den folgenden Jahren habe ich immer mal Hermelin aus bekannten Spitzenzuchten zur Blutauffrischung eingepaart. Ich habe in meiner Zucht als fremde Tiere überwiegend Rammler eingesetzt, da die Chance von einem 1,0 Jungtiere zu bekommen wesentlich größer ist, als von einer Häsin. Eine fremde 0,1 verwirft meist im ersten Wurf, eventuell auch noch beim 2.Wurf, sodass man erst spät Junge bekommt. Von einer 0,1 kann man auch nur begrenzt Jungtiere züchten. Man sei allerdings gewarnt, so einen neuen 1,0 nicht sofort mit allen Häsinnen zu verpaaren, da er eventuell genetisch nicht zu dem Stamm passen könnte. Es ist also ratsam, diesen 1,0 erst einmal bei 2 oder 3 Würfen auszuprobieren. Wenn er denn in die Zucht passt, kann er öfter eingesetzt werden. Gerade in der Zwergkaninchenzucht sollte man davon ausgehen, dass nicht jeder 1,0 zu jeder 0,1 passt. Ich habe schon Zuchtpaare gehabt, bei denen nur jeder 2. Wurf sehr gut war. Das heißt ein Wurf schöne kurzohrige Ausstellungstiere und der nächste Wurf nur Langohren mit schmalen Köpfen. Beim Verpaaren von fremden Tieren muss man besonders darauf achten, dass die Jungtiere daraus gesund sind. Es ist gar nicht schlimm wenn die Ohren etwas länger sind und der Körper etwas größer ist. Mit einer Rückpaarung geht das wieder in Ordnung. Dabei kommen natürlich auch versteckte (genetisch rezessive bzw. unterlegene) Fehler schnell zum Vorschein. Das Einsetzen fremder Zuchttiere birgt zwar viele Gefahren, ist aber unumgänglich um Degenerationserscheinungen zu vermeiden. Man sollte auch mal ein eventuell etwas schlechteres Tier verpaaren, um wieder weiterzüchten zu können.

Es wird auch öfter über die Zucht mit großrahmigen Häsinnen und typischen Rammlern gesprochen. Man möchte dadurch die Wurfstärke erhöhen und auch die Säugeleistung positiv beeinflussen, was nicht immer gelingt. Ich habe festgestellt, dass eine solche 0,1 ca. 5,8 cm Ohrlänge und ca. 1400 g bis 1600 g Gewicht, aus einem erstklassigen Wurf, oder aus einer super Abstammung sein sollte, um daraus tatsächlich schöne typische Hermelin zu züchten. Sie sollte aber auch in einigen Positionen Vorteile haben, z.B Fellhaar, Ohrenstruktur oder Beckenpartie. Meist sind in diesen Würfen die Tiere mit den längeren Köpfen und Ohren in der Überzahl. Aber in enger Linienzucht können durchaus sehr ansprechende Hermelin daraus gezogen werden. Es ist ein wenig Glückssache.

Zu einer guten Linienzucht gehört natürlich auch eine saubere Zuchtbuchführung, damit man jederzeit nachvollziehen kann, welchen Verwandtschaftsgrad man verpaaren will und kann. Dabei ist ein Zuchtbuchprogramm eine große Hilfe. Ich kann an den PC gehen, mir die bestimmten Zuchttiere aufrufen und habe in kürzester Zeit die Abstammung sichtbar oder auch ausgedruckt. Dazu sollten auch viele Bemerkungen über Verhaltensweisen, Aufzuchtvermögen, usw. der Tiere eingegeben werden. Es lässt sich auch die Bewertung der einzelnen Positionen eingeben. Ich benutze seit ca. 15 Jahren das Zuchtbuchprogramm der Fa. URIS, welches ich auch mit gestaltet habe.

Es besteht auch vielfach die Meinung, dass die im Winter geborenen Hermelin kürzere Ohren haben. Ich habe in meiner Zucht bisher bei im Juli und August geborenen Tieren oft sehr kurze Ohren gehabt. Eine Ausnahme bildet das Jahr 2000. Es sind bei mir in den Wintermonaten Hermelin geboren, die eine Ohrenlänge von 4 – 4,5 cm hatten bei normaler Körpergröße. Auch die Ohrenhaltung und Struktur war sehr gut. Mit den Winterzuchten habe ich auch schon einiges ausprobiert. So war meine erste Version, dass ich die Häsin 3 Tage vor dem Wurftag mit in die Wohnung genommen habe, mit der negativen Erscheinung, dass die Häsinnen wegen des Temperaturunterschiedes von ca. 20° fast keine Nester mehr gebaut hatten und das zurücksetzen in den Stall auch immer Probleme machte. Dann habe ich mir Wurfkisten gebaut die mit Styropor ausgekleidet waren, wobei das wiederum mit dünnem Sperrholz abgedeckt wurde. Daraus ist schließlich geworden, dass nur der Boden verkleidet ist, weil alle Kaninchen ihre Jungtiere fast immer möglichst tief legen und von unten die Wärme am wichtigsten ist. Oben ist dann auch immer genug Wolle. Auch sind im Wurfkasten die Nester immer trocken, es sei denn die 0,1 uriniert da hinein. Das Kennen des Wurfkastens ist auch ein Grund mit dafür, dass ich fast immer Häsinnen aus eigener Zucht einsetzte. Ein Nachteil des Wurfkastens ist natürlich der, dass die Jungtiere, die mal aus dem Kasten herausfallen, nicht wieder ins Nest zurückfinden. Durch die kalte Atmosphäre außerhalb des Kastens wird die 0,1 auch dazu angereizt genug Wolle zu rupfen, was die Milchproduktion wiederum anregt. Gerade bei Hermelin und Farbenzwergen ist dieses sehr wichtig, da sich in den Nestern meist nur 2 bis 4 Junge gegenseitig wärmen können.

Die relativ kleinen Würfe, im Verhältnis zu mittleren Rassen, zwingen den Züchter dazu, immer eine größere Anzahl Häsinnen in die Zucht zu nehmen, was einen Nachteil gegenüber Züchtern größerer Rassen bedeutet. Vielen Zuchtfreunden war dieses schon Grund genug nach zwei bis drei Jahren die Hermelinzucht wieder aufzugeben.

Meine Stallgröße für die Hermelin aus dem Zuchtjahr ist ca. 55 x 55 cm. Ich habe festgestellt, dass die Tiefe des Stalles sehr gut geeignet ist, weil sich die Zwergkaninchen dann nicht mehr verstecken können und man jedes Tier gut aus dem Stall herausnehmen kann. Für Zuchtboxen hingegen halte ich eine Größe von 70 x 70 cm bis 80 x 70 cm für angebracht. Auf keinen Fall aber mehr als 70 cm in der Tiefe, weil man dann nur schlecht an die Tiere heran kommen kann.

Dann ist eine passende Fütterung nicht zu vergessen. Ich füttere meine Tiere immer noch im Sommer mit Wiesengrün, allerlei Grünblätter, Heu und dazu Pellets. Im Winter dann Futtermöhren, Steckrüben, Heu, Küchenabfälle und dazu auch wieder Pellets. Ich bin der Meinung, dass unsere Kaninchen auch einen guten Anteil Ballastfutter benötigen um den Verdauungsapperat zu beschäftigen. Auch das „Nösenberger Futter“ ist wegen der sehr groben Struktur gut zu gebrauchen. Gerade überjährige Häsinnen verfetten bei zu guter Fütterung sehr schnell.

Ich würde heute sagen, dass die Zwergrassen zu den schwierigeren Zuchten gehören, hauptsächlich wegen der relativ kleinen Würfe.

 

Was wäre ein Rassebericht ohne eine Beschreibung der Bewertungsvorgaben aus züchterischer Sicht.

Da wäre zunächst das Gewicht. Für volle Punktzahl sollten es 1100 bis 1350 Gramm sein.

Aus züchterischer Sicht kann ich sagen, dass ein 1,0 aus dem Zuchtjahr ca. 1250 g schwer sein sollte, denn im 2. Jahr wird er sicherlich noch schwerer.

Zur Körperform gehört in erster Linie eine gedrungene, zur Zwergform passende, Walzenform mit gut abgerundetem Becken. Die Vorderläufe sollten verhältnismäßig kräftig sein und nicht zum Durchtreten neigen. Vom Vorteil ist sicherlich, wenn die Tiere sich auf dem Bewertungstisch in bodenfreier Haltung zeigen. 1,0 und 0,1 müssen absolut wammenfrei sein. Eine korrekt anliegende, nicht zu kurze Blume sollte auch sein. Es ist auch vielfach so, dass Tiere mit einer super Walzenform in der Beckenpartie nicht ganz einwandfrei sind. Das sollte auch von Preisrichtern berücksichtigt werden. Manchmal braucht man ein Tier nur etwas anders hinsetzen und die Beckenpartie ist wesentlich besser. Wenn die übrige Körperform eine Bewertung von 19 Punkten erlaubt und die Beckenpartie nur 17,5 Pkt. , so sind das im Mittel immer noch 18-18,5 Pkt. Vielfach wird bei der Bewertung der Körperform nur die Beckenpartie bewertet, was ganz bestimmt nicht in Ordnung ist. Das gilt auch für alle anderen Rassen. Auf die leichten und schweren Fehler möchte ich nicht weiter eingehen, denn die sind in unserem Standard auf den Seiten 21 bis 29 beschrieben.

Das Fellhaar soll kurz und dicht sein, mit einer feinen, gleichmäßigen, nur unwesentlich vorstehenden Begrannung. Dadurch fühlt es sich etwas weicher an. Auch die Ohren sollten gut behaart sein. Somit hat das Hermelinfell viel Ähnlichkeit mit einem guten Weißrexfell. Längere Felle und grobe, länger überstehende Begrannung sind leichte Fehler. Zwergkaninchen mit schönen, kurzen Fellen haben auch meist nicht die dicksten Köpfe, denn 2 mm weniger Haarlänge sind somit auch 4 mm Stirnbreite. Es ist auch auf eine gute Behaarung der Vorder- und Hinterläufe zu achten, denn auch das ist sehr erblich. Die schlechtere Behaarung am Sprunggelenk des Hinterlaufes ist nur dann ein Fehler, wenn diese Stelle von den umliegenden Haaren nicht, oder nur schlecht behaart ist. Es ist auch eine Tatsache, dass Hermelin mit vorzüglichen kurzen Fellen mit der Behaarung der „Erbsenstelle“ etwas Probleme haben. Der Preisrichter sollte auch versuchen diese Stelle zuzustreichen und auf keinen Fall die Haare aufdecken, denn diese sogenannte „ Erbsenstelle“ haben ca. 80 bis 90 % unserer Kaninchen.

Auch möchte ich die etwas längeren Haare am Ohrenansatz, sogenannte Stirnbüschel, ansprechen. Ich bin der Meinung, dass diese Stirnbüschel bis zu einer maximal überstehenden Haarlänge von ca. 0,5 cm zum Schmuck unserer Hermelin gehören. Ganz ohne Stirnbüschel sieht das Hermelin am Kopf unvollständig aus. Das beigefügte Foto zeigt diese Maximallänge.

Jetzt komme ich zu den Rassemerkmalen. Da wäre zunächst der Kopf zu beschreiben. Im Verhältnis zur Körpergröße der Zwergkaninchen ist der Kopf groß und markant. Man spricht auch von einem „Ramskopf“, das heißt, wenn der Kopf von der Seite betrachtet wird, sollte von der Stirn bis zur Nase eine deutliche Wölbung vorhanden sein. Die Stirnbreite kann über den Augen gemessen werden und sollte beim Rammler ca. 5,5 cm aufweisen, bei der Häsin ca. 5 cm. Zum Kopf gehört auch eine schöne breite Schnauzpartie, man spricht auch vom sogenannten „Froschmaul„. Es gehört auch ein verhältnismäßig großes, klares Auge dazu. Eine 0,1 muss sich vom 1,0 nicht unbedingt in der Stirnbreite unterscheiden, denn in den Zuchten sind Häsinnen mit rammlerähnlichen Köpfen vorhanden. Der Backenansatz des Rammlers sollte gut ausgeprägt sein. Die Häsin sollte nur einen minimalen Backenansatz haben. Nach wie vor passen Tiere mit schönen kleinen sogenannten „Kugelköpfen“ sehr gut zum Typ. Die haben aber meist etwas weniger Stirnbreite.

Zu den Ohren gibt es einiges zu sagen. Sie sollten eine der Zwergrasse entsprechend kräftige Struktur aufweisen und oben gut abgerundet sein. Am Kopf sollten die Ohren zusammenstehen und nach oben hin leicht V-förmig geöffnet getragen werden. Das werden unsere Hermelin auf dem Bewertungstisch nur sehr selten zeigen, da sie beim Umdrehen und aus dem Käfig holen ja an den Ohren mehr oder weniger kräftig gedrückt werden. Am besten kann man die Struktur und die Ohrenhaltung im Käfig bewerten. Das ist bei allen anderen Rassen auch so. Es ist die Kunst eines jeden Züchters seine Zwergkaninchen so zu züchten, dass die auf dem Bewertungstisch auch noch eine sg Ohrenhaltung zeigen. Denn eng zusammenstehende Ohren sind nun mal faltig. Der Preisrichter sollte nicht nur den Widderrassen Zeit und Hilfe geben, dass der Behang wieder in Form kommt, sondern den anderen Rassen mit Stehohren auch, damit Ohrstruktur und Haltung wieder in Ordnung kommen. Für die Vergabe der vollen Punktzahl in dieser Position sollte die Ohrenlänge von 4,5 bis 6 cm sein, bei entsprechender Ohrbeschaffenheit. Das im Standard angegebene Idealmaß von ca. 5,5 cm stammt aus alten Standardvorgaben und sollte bei der Bewertung keinen Einfluss haben. Bei einer Ohrenlänge von 6 bis 7 cm sollte je angefangenen ½ cm 1 Punkt abgezogen werden. Ab 7 cm Ohrlänge erfolgt der Ausschluss von der Bewertung, man sagt auch „nb“. Meine Erfahrungen in der Zucht besagen, dass Rammler mit über 5,5 cm Ohrenlänge für die Zucht nicht geeignet sind. Bei Häsinnen wird es ab ca. 5,8 cm kritisch, denn die haben ausgewachsen auch dann schon ein Gewicht von über 1500 g. Das Verhältnis Körpergröße zur Ohrenlänge ist bei den Zwergkaninchen auch anders wie bei den übrigen Rassen. Somit ist diese Verhältnismäßigkeit und Harmonie, die in der Ohrbeschreibung des Standards steht, eine Ansichtssache, die jeder Mensch anders sieht. Sie sollte bei der Bewertung eine untergeordnete Rolle spielen.

Der leichte Fehler „etwas grob erscheinende Ohren“ und die Vorgabe “kräftig und fest im Gewebe“ sind für mich sehr ähnlich , obwohl das eine negativ und das andere positiv ist. Ein Hermelin, was seine Ohren V-förmig zeigt, hat immer eine vorzügliche Ohrstruktur, ist kräftig und fest im Gewebe, erscheint aber für manchen Betrachter etwas grob. Das Ganze liegt da sehr nah beieinander.

Zur Position 6 „Farbe„ gibt es nicht viel zu sagen. Das Hermelin soll am ganzen Körper, einschließlich Bauch und Läufen weiß sein. Es gibt bei der Bewertung kleine Unterschiede bei Punktabzügen für den Fehler „gelbe Läufe“. In einigen Landesverbänden wird dafür je nach Intensität des „Gelb“ 1 bis 2 Punkte abgezogen. In anderen LV wiederum in der Position Pflegezustand nur ½ Punkt. Vielleicht ist es möglich, dafür auch einmal einen einheitlichen Konsens zu finden. Die Augenfarbe gehört auch noch dazu, welche beim Albino in etwa gleich ist. Als Fehler ist da auf den sogenannten „Augenfleck“ zu achten, der eigentlich eine kleine Geschwulst oder ähnliches auf dem Auge ist. Die Tiere sind auf diesen Augen sehr lichtempfindlich und man kann auch beobachten, dass sie dadurch Schmerzen haben. Bei der Bewertung ist das ein schwerer Fehler, der ein „nb“ zur Folge hat. Dieser Fehler taucht bei Rotaugen und Blauaugen auf und wird in Position 6 bewertet.

Zum Abschluss meines Berichtes möchte ich nur noch feststellen: Wer sich einmal intensiv mit der Hermelinzucht befasst hat, kommt so schnell nicht mehr davon los. Wenn in jedem Frühjahr wieder die kleinen, schönen Jungtierchen aus dem Nest schauen, dann ist die Züchterwelt wieder in Ordnung.

 

Friedhelm Olderdissen, Rassesprecher der AG